Mittwoch, 2. Januar 2013

Das durstige Kamel

Er konnte sich vorstellen, dass irgendwo, er wusste nicht wo, ein vollständiges Verstehen, eine vollkommene Erwiderung auf ihn wartete, die alle seine Gefühle und Sinne vom poetischsten bis zum körperlichsten berühren würde, eine Schönheit der Beziehung, die ihn so verwandeln würde, dass sie – denn diese Ergänzung war natürlich eine Frau – nicht nur in diesem Licht von vollkommener Schönheit sein würde, sondern dass auch er, was noch unglaublicher war, vollkommen schön und unbefangen sein würde ... In ihrer Gegenwart würde es keine Selbstvorwürfe, keine Fehltritte, keine Begrenzungen geben, nichts als Glück und die glücklichsten Aktivitäten ... Ein solcher Glaube ist für die Hälfte aller phantasiebegabten Menschen auf der Welt so natürlich wie das Wasser für junge Enten. Sie bezweifeln seine Wahrheit ebenso wenig wie ein durstiges Kamel bezweifelt, dass es gleich zu einer Quelle kommen wird.
Dieser Glaube ist ebenso närrisch, als hoffe ein Kamel, eines Tages aus einer Quelle zu trinken, die seinen Durst auf immer stillen werde.

H.G. Wells
Mr. Brittlings Weg zur Erkenntnis (1916)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen