Sonntag, 15. April 2012

Alkohol & Medien

Es erstaunte ihn immer wieder aufs Neue, wie das Gehirn Worte, Melodien, Blumendüfte bewahren und dann Jahre nachdem sie die Sinne berührt hatten, wieder freisetzen konnte. Und es war nie vorhersehbar, wann sie wieder auftauchten, es konnte durch einen Klang, einen Anblick oder Geruch ausgelöst werden, der mit dem ursprünglichen Erlebnis gar nichts zu tun hatte. 
William S. Cohen: Die Verschwörer 

 Am Dienstag, dem 26. Januar 2010, einen Tag, bevor das World Economic Forum (WEF) in Davos seine Pforten öffnete, wurde Markus Reinhardt, der Kommandant der Graubündner Kantonspolizei und Sicherheitsverantwortliche des WEF, tot in seinem Hotelzimmer aufgefunden. Er hatte sich mit seiner Dienstwaffe das Leben genommen. 

 Reinhardt hatte während einiger Jahre “ein Alkoholproblem” gehabt, im Regierungsrat wusste man davon. Seine direkte Vorgesetzte, die Direktorin des Justizdepartements, Barbara Janom Steiner, äusserte sich während einer Pressekonferenz so: “Die Alkoholprobleme haben seine Arbeit nie beeinträchtigt.” Weiter sagte sie: “Ich hatte den Eindruck, dass Reinhardt das Alkoholproblem allmählich in den Griff bekam.” Und, wie der Tages-Anzeiger schrieb: “Sie habe unter Beizug eines Vertrauensarztes Massnahmen vereinbart, damit Reinhardt seines Problems Herr werde.” 

 Die Medien fragten nicht nach, mit was für Massnahmen die Politikerin und der Vertrauensarzt glaubten, einen offenbar Alkoholkranken zur Räson bringen zu können, stattdessen wurden sie auf ihre typische Art aktiv. Der Tages-Anzeiger befragte Roberto Zalunardo, interimistischer Generalsekretär der Polizeikommandanten, der sagte, dass Kommandanten unter grossem Druck stünden, dass man an der Spitze sehr einsam sei und mit der Tatsache, dass sehr viele Anforderungen an einen gestellt werden, müsse umgehen können. Als Leser hatte man das Gefühl, dass, wenn einer damit nicht klar komme, er zum Alkohol Zuflucht nehmen könnte. Nun ja, dass Leute saufen, weil sie Druck nicht aushalten, ist zwar eine weit verbreitete Auffassung, doch sie ist falsch. Alkoholiker brauchen keinen Grund um zu saufen, sie finden immer einen.

Die Fortsetzung findet sich in:
Hans Durrer: Warum rennen hier alle so? 
Rüegger Verlag, Zürich/Chur 2013

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