Sonntag, 25. März 2012

Sucht

"Sucht ist ohne ein süchtiges Bedürfnis nicht erklärbar. Bedürfnisse aber und ihre Befriedigung hängen in hohem Masse mit den subjektiven Möglichkeiten und Chancen innerhalb unserer Gesellschaft zusammen. Insofern sind politische Forderungen nach Verboten von Alkohol und anderen Genussmitteln (vor allem bei Jugendlichen) oder suchtpolitische Ziele wie Abstinenz sinnlos, solange wir in einer Gesellschaft leben, die das menschliche Bedürfnis nach glücklichem Leben negiert", lese ich auf der vierten Umschlagseite des von Klaus Weber im Hamburger Argument Verlag herausgegebenen Bandes "Sucht".

Ich bin mir nicht sicher, was ich von diesen Aussagen halten soll. Ist das etwa ein Plädoyer dafür, dass wir alle mehr Chancen haben sollten, unsere süchtigen Bedürfnisse zu befriedigen? Meint das vielleicht, dass in einer Gesellschaft, in der das menschliche Bedürfnis nach glücklichem Leben nicht negiert wird, Verbote von Alkohol und anderen Genussmitteln oder suchtpolitische Ziele wie Abstinenz sinnvoll seien?

Der Herausgeber Klaus Weber schreibt in der Einleitung zu diesem Band:
"Süchtiges Handeln soll wieder als subjektiv begründetes Handeln in gesellschaftlichen Zusammenhängen gedacht werden und nicht als Folge einer organischen, genetischen oder sonstigen Störung und auch nicht als vererbte Disposition etc. Wie wenig die heutige Psychiatrie mit ihrem einseitigen medizinischen Störungsmodell, in der Praxis zudem mit fehlenden zeitlichen und personellen Ressourcen in der Lage ist, auf süchtiges Handeln von Menschen deren Begründungen zu eruieren, um einen gemeinsamen Kampf aufzunehmen gegen eine Gesellschaft, in der Sucht fast nötig ist, um die sozialen, politischen und betrieblichen Kränkungen auszuhalten, ist offensichtlich."

Dieser Band geht davon aus, dass es die gesellschaftlichen Verhältnisse sind, "welche es subjektiv für manche Menschen notwendig machen, sich mit Alkohol in ein anderes Leben zu 'drehen'." Ich halte das zwar für möglich, auch wenn ich den Umkehrschluss, den man aus dieser Behauptung ziehen muss – dass die gesellschaftlichen Verhältnisse für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung, die ja nicht alkoholabhängig ist, kein Problem darstellen – absurd finde.

Wie auch immer, dieser Band erfüllt einen wichtigen Zweck: er macht deutlich, dass es falsch ist, Sucht auf ein rein individuelles Problem zu verkürzen. "Es ist auffällig, dass die Rückfallthematik gerade zu einem Zeitpunkt in die Diskussion kam, als der Überhang an Therapieplätzen im Rehabilitationsbereich nicht mehr zu übersehen war und viele Kliniken in eine Situation der Unterbelegung brachte." Aber auch zum Widerspruch regt dieser Band an: "Wir gehen davon aus, dass sich Menschen auch zu ihrer Drogenabhängigkeit bewusst verhalten können und dies auch tun." Ja, sicher, doch das gilt eben dann nicht mehr, wenn etwa ein Alkoholiker den ersten Schluck getrunken hat.

Klaus Weber (Hg.)
Sucht
texte kritische psychologie 2
Argument Verlag, Hamburg 2011

Sonntag, 18. März 2012

Dafür danke ich allen

David Servan-Schreiber lehrte an der Universität Pittsburg, wo er das Zentrum für integrative Medizin gründete. Im Alter von 31 Jahren wurde bei ihm ein aggressiver Hirntumor diagnostiziert, dem er 19 Jahre lang erfolgreich widerstand. Kurz nach Veröffentlichung dieses Buches erlag er am 24. Juli 2011 seiner Krankheit.

„Man sagt sich mehr als einmal Lebewohl“ ist ein streckenweise bewegendes und auf vielfältige Art hilfreiches Buch. Besonders hilfreich empfand ich Sätze wie diese:

„In kritischen Situationen ist die beste Vorbeugung gegen Verzweiflung, wenn man sich ganz auf das Handeln konzentriert.“

„Was für ein herrliches Gefühl, wenn man erkennt, dass man nicht Künstler sein muss, um das eigene Leben als einen kreativen Prozess zu leben!“

Ganz wunderbar gefallen hat mir auch diese Stelle hier:

„Es gibt ein sehr schönes Bild in dem Roman 'Freitag oder das Leben in der Wildnis'. Michel Tournier spricht darin von einem Büffelschädel, der in einem Raum hängt, und wenn der Wind hindurchstreicht, entstehen Töne. Wer erzeugt die Musik: der Schädel, der Wind oder das Zusammentreffen der beiden?“

Verständlich, wenn auch weniger überzeugend sind des Autors Anstrengungen, seinen von ihm entwickelten Antikrebs-Lebensstil zu verteidigen. Und noch weniger überzeugend, ja so recht eigentlich fast schon befremdend, fand ich seine Aussage: „Ich bedauere nichts.“ Ich hätte mir den Mann lernfähiger gewünscht! Wobei: ganz so einfach macht er es sich ja dann doch nicht.

Hinweisen möchte ich jedoch vor allem auf dies:

„Die grosse Erkenntnis, die ich während meiner wissenschaftlichen Laufbahn in den letzten zwanzig Jahren gehabt habe, ist auch die grösste Entdeckung der modernen Ökologie: Es ist der einfache und grundlegende Gedanke, dass das Leben der Ausdruck von Beziehungen in einem Netz ist und nicht eine Reihe punktueller Ziele, die einzelne Individuen verfolgen. Das gilt für Ameisen, Giraffen und Wölfe genauso wie für Menschen. Ich hatte das Glück, durch meine Beziehungen zu all jenen, die sich für ökologische Ideen begeistern, meine Kreativität ausdrücken und etwas zum grossen Ganzen beitragen zu können. Dafür danke ich allen."

David Servan-Schreiber

Man sagt sich mehr als einmal Lebewohl
Verlag Antje Kunstmann, München 2012

Sonntag, 11. März 2012

A most helpful prayer

Lord, make me an instrument of your peace.
Where there is hatred, let me sow love.
Where there is injury, pardon.
Where there is doubt, faith.
Where there is despair, hope.
Where there is darkness, light.
Where there is sadness, joy.
O Divine Master, grant that I may not so much seek
to be consoled, as to console;
to be understood, as to understand;
to be loved, as to love;
for it is in giving that we receive,
it is in pardoning that we are pardoned.
It is in dying that we are born to eternal life.

Saint Francis of Assisi

Sonntag, 4. März 2012

Fighting temptation

The temptation is still there, always there, the urge to drink drug and destroy never leaves, but I'm getting used to it. It's like a rash, a nasty fucking rash, constant, annoying and painful. I'd like to scratch it till kingdom fucking come but if I do I die and I don't want to die.

James Frey
My Friend Leonard