Mittwoch, 20. Oktober 2010

Wir verstehen es nicht

Als Berater und als Therapeut hatte ich mich natürlich stets beeilt, darauf hinzuweisen, dass wir selbst es sind, die die Entscheidungen treffen, und dass sich nicht zu entscheiden ebenfalls eine Entscheidung darstellt wie jede andere auch. Nicht zuletzt solche Predigten waren der Grund weshalb ich aufgehört habe. Es ist zu einfach, wenn man erst einmal die Tricks kennt. Man fängt an zu glauben, dass man eine Möglichkeit entdeckt, die Welt mit klarem Blick zu sehen, während man in Wirklichkeit lediglich eine Sprache lernt - eine gefährliche Sprache, weil sie den Blick verengt und uns vorgaukelt, man verstehe, warum die Menschen tun, was sie tun.
Aber wir verstehen es nicht. Wir verstehen so wenig von allem.

Man denkt immer, man würde es verstehen. Jedes Mal, wenn man etwas Neues lernt, eine neue Leidenschaft entwickelt, denkt man, nun habe man seinen Weg gefunden ... Aber so ist es nicht, man hat nicht irgendwann den Durchblick. Am Ende hat man immer noch dieselben leeren Karten in der Hand - es sind nur mehr geworden.

James Sallis
Dunkle Vergeltung
Wilhelm Heyne Verlag, München 2010

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